Welcome to the machine(?)

Wenn wir über die Zukunft nachdenken, dann treffen sich meist positive und negative Vorstellungen über das Kommende und wahrscheinlich kontrastieren sie miteinander — mehr oder weniger stark. Solche dissonanten Vorstellungen können oft problemlos nebeneinander existieren — auch in einem und demselben Kopf. Sollen wir aber gemeinschaftlich ein Bild unserer Zukunft entwickeln, eine konkrete Idee formulieren, dann bräuchten wir eine Schlussfolgerung, ein gemeinsam abgewägtes Urteil. Auch Designerinnen und Designer (natürlich auch alle anderen Menschen) müssen solche expliziten Urteile fällen, wollen sie die Zukunft nicht dem Zufall überlassen.

Stellen wir uns vor, wir sind beauftragt, einen humanoiden Roboter zu gestalten. Er soll zukünftig in der Krankenpflege zum Einsatz kommen. Der Prozess der Gestaltung beginnt mit einem Nachdenken (inquiery) über die Technik, die Zukunft der Krankenpflege und so weiter. Unser Nachdenken löst positive und negative Vorstellungen in uns aus. Wir sehen kranke Menschen vor unserem inneren Auge, die von diensteifrigen, vorauseilenden, freundlichen und hübschen Robotern umsorgt werden. Vielleicht sehen wir auch Menschen im Krankenhaus, die selbst einmal KrankenpflegerInnen waren und durch die Einführung von Pflegerobotern ihren Job verloren haben. Leidende Menschen, von schuldlosen Robotern umsorgt, denen sie ihr Leid ‘verdanken’. Soweit ein erstes kurzes Nachdenken. Wir müssen uns jetzt an die Arbeit machen …

Nun entwerfen wir den Roboter, entwickeln Details, Formen, Bewegungsprofile, Materialien, Farben, Mimiken, Gesten, Kommunikationsweisen und vieles andere. Schliesslich steht wirklich eine ganz hübsche Maschine auf dem »Reissbrett«, die wir gerne mal in Aktion erleben würden. Die Auftraggeber sind erfreut, man fertigt Prototypen und bringt schliesslich ein Produkt heraus, daß den Menschen gefällt und den Gesundheitseinrichtungen des Landes viele Vorteile verspricht. Dieses Produkt wird ein großer Erfolg, die Menschen lieben ihre Pflege-Roboter.

Es folgt der dritte Teil unseres Gedankenganges. Wir müssen unsere eigenen Ideen am eigenen Leib erleben. Eines Tages kommen wir selbst ins Krankenhaus. Heerscharen gut organisierter Roboter bevölkern Flure und Stationszimmer. Und auch ein paar Menschen tauchen auf, meist Niedrigst- oder Höchstqualifizierte, jene also, die man nur schwer ersetzen kann (siehe auch: Ilija Trojanow, Der Überflüssige Mensch). Für uns war diese ferne Zukunft einmal verführerisch, wir haben gutes Geld damit verdient, Erfolge eingeheimst, Anschlußaufträge. Nun sind auch wir dieser Realität völlig ausgesetzt. Wie werden wir uns fühlen?

Im vierten und letzten Abschnitt geht es um eine Zukunftsfrage. Was werden die Gedanken sein in einer solch fernen Zukunft? Welche Fragen werden unsere Nachfolger stellen, ist die Technik erst einmal so weit. Könnten wir diese kommenden Fragen (von denen wir einige vielleicht erahnen können) nicht heute schon verstehen?

I love machines; they are like creatures of a higher order. Intelligence has freed them of all the woes and joys which are the lot of the human body in its activity and its exhaustion. Machines on their concrete bases act like serenely meditating Buddhas, squatting on their timeless lotus. They vanish when more beautiful, more perfect ones are born.

Henry van de Velde

Dingsbums – Sex mit der Maschine, DIE ZEIT, 6. Juni 2017

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